Zeitzeugen

Der Zeitzeuge Klaus Kleinau an unserer Schule November 2007

 

Ein Tag in der Zeit zurück


„Trainingsanzug, Winter- und Sommeruniform und Drillichzeug auf den Bügel! Linkes Fach: Zahnputz- und Waschzeug. Rechtes Fach: Nähzeug, Kleiderbürste und private Kleinigkeiten; die sollte man allerdings am besten zu Hause lassen! Links oben: Schlafanzug und Braunhemd, rechts daneben Handtuch, Unterwäsche und Taschentücher, dahinter die Strümpfe! Auf das Braunhemd kommt das Käppi, nicht liegend, sondern stehend! Der Tornister kommt oben auf den Spind! An den Haken an der Innentür kommt der Waschbeutel!“

Das sind die Worte eines ehemaligen Schülers der NAPOLA- Schule. NAPOLA, eigentlich NaPoBi, war die Abkürzung für „Nationalpolitische Erziehungsanstalt“. Während der Beschäftigung mit dem Thema Nationalsozialismus, setzten wir Schüler der Klassen 9 und 10 uns auch mit der Jugend und deren Alltag im Dritten Reich auseinander.

Am 13.11.2007 trafen wir Klaus Kleinau, ehemaligen Schüler der Napola. Gemeinsam mit ihm besuchten wir das Schulgelände in Ballenstedt. Ein paar Tage zuvor hatten wir uns schon auf das Treffen vorbereitet: Ein Teil der 9. Klasse schaute sich den Film NAPOLA an. Der andere Teil der Klasse fuhr nach Ballenstedt und interviewte dort ein paar Leute vom Gymnasium und auf der Straße. Es galt herauszufinden, wieviel die Menschen über die geschichtliche Vergangenheit in ihrer Stadt wissen.

Der Tag des 13.11.2007 begann mit einem Gespräch mit Klaus Kleinau. In dem Gespräch merkten wir, was für eine auch harte Zeit Herr Kleinau überstehen musste. Gegen Ende unserer Gespräches musste er mit Tränen kämpfen. Damals war er sehr stolz, Schüler einer solchen Schule zu sein, aber nach intensiverer Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit wurde ihm klar, woran er beteiligt gewesen war und was er auch durchgestanden hatte.

1938 war Herr Kleinau auf die Schule gekommen. Sein Vater hatte ihn angemeldet, weil er wollte, dass Klaus der nationalpolitischen Ideologie nach erzogen werden sollte. Nach einer Woche Aufnahmeprüfung fand der erste Unterricht statt. Kontrolle der Fingernägel, gerade gezogener Scheitel, saubere Ohren, ein sauberes Taschentuch, blank geputzte Schuhe, glatt gezogene Betttücher und vieles mehr gehörte zur Tagesordnung. Schon in der ersten Prüfung wurde der Lebenslauf von A. Hitler abgefragt. Das Programm des Nachmittags wurde mit Sport, Geländespielen, Mutproben, Wanderungen und auch häufig mit Ordnungsübungen ausgefüllt. Sport auf der NAPOLA, das waren nicht nur Geländespiele, sondern auch Ski laufen, Schwimmen, Boxen, Schießen, Reiten, Fechten, Rudern und Segelfliegen. Dafür nutzten die Schüler den Flugplatz in Ballenstedt. Am Abend gab es öfter Nachtwanderungen mit Mutproben.

Fünf Jahre später gehörte Klaus Kleinau zu den Jungmannzugführern. In dieser Rolle musste er selbst Schüler testen und beurteilen. 9- und 10-jährige Zöglinge (zukünftige Jungmannen) wurden nachts gefesselt und in den Wald getragen und konnten sich erst in den frühen Morgenstunden befreien. Krebse, die in einem Teich gefangen wurden, setzte man den Kindern auf ihren nackten Oberkörper. Selbst aus dem zweiten Stock aus in ein Sprungtuch springen, gehörte zur Mutprobe. Beim Boxen hatte nur der bestanden, der den anderen blutig geschlagen hat. Von 36 Leuten haben nur 15 diese harte Schulzeit überstanden. Viele Kinder und Jugendliche konnten einfach nicht mehr oder wollten nur noch raus. Bettnässer, Schwächlinge oder Muttersöhnchen waren die Ausdrücke der Erzieher für jene Schüler. Das war ein Teil des Lebens auf der NAPOLA. Soweit zu seinen Erzählungen.

Nach dem langen Gespräch mit vielen Fragen zeigte Herr Kleinau uns ein kurzes Interview, welches der Fernsehsender MDR vor zwei Jahren mit ihm geführt hatte. Anschließend fuhren wir mit Herrn Kleinau nach Ballenstedt. Dort ließen wir uns durch die Räume der ehemaligen Nazi-Schule führen. Außerdem gestalteten wir eine Lesung, bei der Textausschnitte aus dem Buch Klaus Kleinaus gelesen wurden. Ebenfalls, wie ein Echo, lasen die Schüler im Wechsel zu den Text Klaus Kleinaus aus Büchern, in denen Schicksale jüdischer Opfer beschrieben wurden.

Das war für uns der Tag des 13. November 2007.

Johann

 

 

Auszüge aus einem Brief Klaus Kleinaus an unsere Schule:

 

„Das ich erst 80 Jahre alt werden muss, um solch eine Schule mit allem „lebenden und toten Inventar“ erleben zu dürfen. Am liebsten wäre ich dort geblieben! Beim Rundgang durch die Schule haben Sie ja gemerkt, wie begeistert ich war. Vor allem auch, weil ich während meiner Lehrertätigkeit manches ausprobiert habe, was bei Ihnen zum pädagogischen Konzept einfach dazu gehört.“

„Die Veranstaltung in Ballenstedt war für mich vor allem deshalb so beeindruckend, weil sie sehr gut vorbereitet war. Bitte sagen Sie das ihren Schülern und Lehrerinnen. Wenn es Frühjahr und das Wetter besser ist, komme ich wieder, mit oder ohne Programm. Meine Frau sollte Ihre Schule auch kennen lernen.“